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Keyvisual der Ausstellung «kolonial – Globale Verflechtungen der Schweiz»

kolonial – Globale Verflechtungen der Schweiz

Seit dem 16. Jahrhundert ist die schweizerische Gesellschaft zunehmend global vernetzt. Die Ausstellung zeigte in elf Kapiteln koloniale Handlungsfelder, in die Schweizerinnen und Schweizer involviert sind. Sie reichen von der Beteiligung am Handel mit versklavten Menschen über den Söldnerdienst in den Kolonien bis hin zur wissenschaftlichen Forschung als eine Form der Ausbeutung von Mensch und Natur.

Auf dem Gang durch die Ausstellung wurden Schweizer Akteure und Akteurinnen sowie Institutionen aus dem Gebiet der heutigen Schweiz vorgestellt. Aber auch versklavte und kolonisierte Menschen, die Widerstand leisten, traten auf, auch wenn sich viele Spuren heute fast verloren haben.

Das Erbe des europäischen Kolonialismus prägt die Welt bis heute. Die Ausstellung lud die Besuchenden ein, sich mit aktuellen Debatten auseinanderzusetzen.

Hier finden Sie eine Auswahl der Inhalte aus der Ausstellung, die vom 13. September 2024 bis am 19. Januar 2025 im Landesmuseum Zürich zu sehen war. Die Ausstellung wird vom 27. März 2026 bis 11. Oktober 2026 in angepasster Form im Château de Prangins zu sehen sein.

«Die vielfältige, aber schwer fassbare Rolle unseres Landes stellt uns vor eine Entscheidung. Wenden wir uns vom Thema ab, weil es so komplex, ja scheinbar undurchdringlich ist? Oder sehen wir besonders genau hin, weil wir nur so begreifen können, wie es wirklich war? Und wie dieses koloniale Erbe unsere Gegenwart prägt?»

Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider, Vernissage in Zürich, 12.09.2024

An der Vernissage zur Ausstellung haben Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider und Henri-Michel Yéré, Historiker und Poet der Universität Basel, gesprochen.

Inhaltsverzeichnis

Versklavung

Um die Plantagen in der Karibik und in Nord- und Südamerika zu bewirtschaften, deportieren europäische Händler vom 16. bis 19. Jahrhundert über 12 Millionen Menschen aus Afrika in die Kolonien. Dies ist möglich, auch weil bereits ein inner-afrikanischer Sklavenhandel besteht.

Über 250 Schweizer Unternehmen und Private beteiligen sich am Handel und an der Deportation von ca. 172'000 Menschen. Die Entmenschlichung der versklavten Menschen ist Voraussetzung für diese Form von Ausbeutung. Der transatlantische Sklavenhandel schafft Bedingungen, unter denen sich der Rassismus ab dem 16. Jahrhundert entwickelt.

© Schweizerisches Nationalmuseum

Reichtum durch Ausbeutung
Der transatlantische Sklavenhandel findet im 18. Jh. seinen unrühmlichen Höhepunkt. Auch Städte wie Bern und Zürich investieren in den Sklavenhandel, beide sind Aktionäre bei der britischen South Sea Company, die über 38‘000 Versklavte deportiert.

Stock, Aktie der South Sea Company, London, 1729 | Sammlung Schweizer Finanzmuseum der SIX Group, Zürich

Fabrikant, Händler, Investor
Die Firma Christoph Burckhardt & Cie. stellt in Basel Indiennes-Stoffe her und handelt mit Kolonialwaren. Die Familie Burckhardt beteiligt sich an 21 Sklavenfahrten, die 7’350 versklavte Menschen deportieren.

Rechnungsauszug für Sklavenschiff Le Cultivateur, Ch. Burckhardt & Cie, Basel, 1815-1817 | Schweizerisches Wirtschaftsarchiv, Basel

Die Aufzählung von Menschen neben weiteren Handelsgütern verdeutlicht, dass versklavte Menschen wie Waren gehandelt
werden. Versklavung ist keine Erfindung des europäischen Kolonialismus, doch der transatlantische Sklavenhandel stellt eine neue Dimension von Kapitalisierung menschlicher Körper dar. Die versklavten Menschen werden zu einer Fracht degradiert und unter ungeheuerlicher Gewalt in die Kolonien verschleppt.

Indiennes | © Schweizerisches Nationalmuseum

Indiennes
Bedruckte Baumwollstoffe sind ein wichtiges Handelsgut im Tausch gegen versklavte Menschen. Dieses Fragment ist wohl der einzig erhaltene Stoff, der eigens für den Tausch gegen Versklavte produziert wurde.

Le lion et la chèvre, Manufacture Petitpierre & Cie, Nantes, um 1790, Holzmodeldruck auf Baumwolltuch | Schweizerisches Nationalmuseum

Biografie: Jacques-Louis de Pourtalès & Pauline Buisson

biografie-jacques-louis-de-pourtales.pdf
biografie-pauline-buisson.pdf

Besitz von versklavten Menschen

Seit dem 17. Jahrhundert besitzen Schweizer Privatpersonen Plantagen, die sie mit versklavten Menschen betreiben; etwa in der Karibik und in Brasilien. Durch die Ausbeutung der versklavten Frauen, Kinder und Männer erlangen diese grossen Reichtum.

Auch Schweizer Unternehmer und Söldner besitzen in europäischen Kolonien versklavte Menschen. In Asien etwa leben Söldner oft mit versklavten Frauen zusammen. Von einigen weiss man, dass sie die versklavten Menschen in die Schweiz mitnehmen.

Und heute?

Seit Jahren gibt es Forderungen nach Reparationen für das Verbrechen der Sklaverei. Unklar bleibt, ob und wer zu zahlen hat und wer die Wiedergutmachung erhalten soll. Der Historiker Hans Fässler ordnet ein.

In Brasilien zeugt der Name Helvécia von der Schweizer Vergangenheit dieser Ortschaft. Die Erinnerung an die Sklaverei lebt in den Nachkommen weiter. Die Fotografien des schweizerisch-brasilianischen Fotografen Dom Smaz und die von der Schweizer Künstlerin Denise Bertschi bestickten Stoffbahnen erinnern daran.

Nachkommen der Sklaverei
Als 1888 die Sklaverei in Brasilien verboten wird, erlangen in Helvécia, der ehemals deutsch-schweizer Kolonie Leopoldina, etwa 2‘000 versklavte Menschen die Freiheit, so auch der Grossvater von Dona Cocota.

Dom Smaz, Dona Cocota, Hélvecia, Brasilien, 2015 | Schweizerisches Nationalmuseum

Schweizer Familienspuren
Neben den Nachkommen der ehemals versklavten Menschen leben heute auch noch Nachkommen der Schweizer Familie Sulz in Helvécia, der ehemals deutsch-schweizerischen Kolonie Leopoldina.

Dom Smaz, Carlos Henrique Cerqueira (Enkel von Henrique Sulz), Hélvecia, Brasilien, 2017 | Schweizerisches Nationalmuseum

Handel

Seit dem 16. Jahrhundert handeln Schweizer mit sogenannten Kolonialwaren: Seide, Gewürze, Tabak oder Tee aus Übersee. Später sind es vor allem Textilien, die die Hauptwährung im transatlantischen Dreieckshandel sind – einem Geschäft, an dem die Handelshäuser gut verdienen.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts dienen Afrika und Südostasien als Absatzmärkte für europäische Industrieprodukte, im Gegenzug importiert Europa Rohstoffe, um seine industrielle Produktion voranzubringen. In der Schweiz, einem rohstoffarmen Land, profitieren einige Handelshäuser davon und steigen zu den weltweit grössten Rohstoffhändlern auf.

Kakao
Die Kakao-Pflanze wächst nur in tropischen Gebieten und ist im 18. Jh. einer der wichtigsten Rohstoffe, der von versklavten Menschen abgebaut und auch von Schweizer Handelsunternehmen auf dem Weltmarkt gehandelt wird.

Erst im 19. Jh. kommt die Kakao von Südamerika nach Afrika. Nur dank Kakao aus den Kolonien und der Verbindung der Schokoladenindustrie mit der wachsenden Milchwirtschaft war der Siegeszug der Schweizer Schokolade möglich.

Kakaofrucht, cacahuatl (Nahuatl, Sprache der Azteken), Ghana, 2024

Kakao Trockenplatz in Accra
Die 1859 gegründete Basler Missions-Handlungs-Gesellschaft geht aus der Basler Mission hervor. Die Gesellschaft handelt mit Kakao und baut Kakaopflanzen an. Ab 1918 ist die Union Trading Company eine der grössten Handelsgesellschaften der Schweiz.

Accra, Kakao Trockenplatz, um 1904 / 1905 | Mission 21, Bestand der Basler Mission

Die Missions-Handlungs-Gesellschaft ist Mitglied des Kartells europäischer Handelsgesellschaften und kann so den Produzentenpreis drücken. Damit behindert sie afrikanische Konkurrenzunternehmen auf dem Markt. Im Bild: lokale Arbeiter und der Aufseher in «kolonialem Weiss» gekleidet – das Machtgefälle kommt so deutlich zum Ausdruck.

Transithandel

Transithandelsfirmen handeln mit Rohstoffen, ohne dass die Ware ins eigene Land kommt. Dank freier Marktzugänge und hoher Kapitaldeckung erwirtschaften Firmen, wie die Basler Missions-Handlungs-Gesellschaft oder Volkart & Cie, hohe Gewinne und profitieren davon, dass Kolonien auf die Rohstoffproduktion ausgerichtet werden.

Sinkende Transportpreise und neue Kommunikationstechnologien führen ab 1880 zu einem enormen Aufschwung des Handels; die Schweiz wird zu einer der grössten Drehscheiben für den Rohstoffhandel.

Warum ist die Schweiz – ohne eigene Rohstoffe und einer ungeeigneten Topografie – so reich?
Die Frage, ob die Schweiz (als Staat) auch infolge ihrer kolonialen Verflechtungen reich geworden sei, lässt sich aufgrund des heutigen Forschungsstands nur schwer beantworten. Einzelne Unternehmen und Familien haben zweifellos profitiert vom Kolonialismus, während um 1900 der Grossteil der Bevölkerung arm und unterprivilegiert lebt.

Von Mythen und Fakten: Zum Ursprung des Schweizer Reichtums, Diskussion mit Markus Somm Journalist und Historiker, und Hans Fässler, Historiker, Echo der Zeit, 21.12.2021 | Schweizer Radio und Fernsehen SRF

Und heute?

In der Schweiz sind 2021 rund 960 Rohstoffhandelsfirmen verzeichnet, die weltweit ungefähr ein Viertel des Rohstoffhandels abwickeln.

Noch immer fliessen die Gewinne in den Globalen Norden, während die Ursprungsländer die grossen Lasten der Umweltschäden tragen oder den menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind. Die Bevölkerung profitiert kaum vom Rohstoffreichtum ihres Landes.

Söldner

Schweizer Söldner dienen ab Ende des 16. Jahrhunderts in europäischen Kolonialheeren und beteiligen sich an gewaltsamen Eroberungszügen sowie der Aufrechterhaltung der kolonialen Ordnung.

Arbeitslosigkeit und materielle Not, aber auch Männerbilder, die Heldentum und Abenteuerlust beschreiben, sind ausschlaggebend für den Eintritt in fremde Militärdienste. Der Solddienst wird zwar 1859 verboten, der Dienst in fremden Armeen bleibt aber möglich. Für die Französische Fremdenlegion und die Königliche Niederländisch-Indischen Armee dienen tausende junge Schweizer Männer im kolonialen Asien und Afrika.

Biografie: Alois Wyrsch, Hans Christoffel & Si Singamangaraja XII.

biografie-alois-wyrsch.pdf
biografie-hans-christoffel.pdf
biografie-si-singamangaraja-xii.pdf

Und heute?

Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein werden die Schweizer Söldner als Helden verehrt, als starke Männer, die in Schlachten ziehen. Dass die Söldner zur Durchsetzung von Gewaltregimes beitrugen, oft starben oder durch die Gewalterfahrungen schwer traumatisiert in die Schweiz zurückkamen, wird ausgeblendet.

Anders werden die Söldner und die Gewaltexzesse in den ehemaligen Kolonien erinnert. Der Zürcher Ethnologe Edgar Keller und sein Kollege Yoseph Agato Sareng interviewten 2008 Bewohnerinnen und Bewohner von Flores, deren Eltern und Grosseltern Zeuginnen und Zeugen der vom Schweizer Hans Christoffel befehligten Massaker von 1907 waren.

2023 interviewen Keller und Sareng die Nachfahren erneut. Im Film erzählen Franziskus Rema Lawa, Thomas Mite, Petronela Ene Sugi, Martin Lalu, Petronela Ene Sugi und Mosolaki Kristoferus Oramu von den Gewalterfahrungen ihrer Vorfahren, aber auch von Widerstand gegen die Holländer.

Schweizer Siedlungskolonien

Ab 1600 gründen Kolonialregierungen sogenannte Siedlungskolonien, wo Europäerinnen und Europäer vermeintlich besitzloses Land bewirtschaften und Handel treiben sollen. Das Land wird dabei der indigenen Bevölkerung streitig gemacht.

Auch wenn die Schweizer Auswanderinnen und Auswanderer meist aus ärmlichen Verhältnissen stammen, profitieren doch viele von ihnen auf lange Sicht als Weisse von den vorherrschenden Machtstrukturen und tragen zur gewaltsamen Vertreibung der indigenen Bevölkerung bei – vor allem in Nord- und Südamerika, punktuell auch in Asien oder in Afrika.

New Bern

Christoff von Graffenried gründet 1710 die Kolonie New Bern im heutigen Bundesstaat North Carolina, USA. Die englische Kolonialmacht teilt ihm 16’200 Hektaren Land zu. Hier leben aber bereits Familien der Skarù·ręʔ (auch Tuscarora genannt), die seit Jahren für ihre Unabhängigkeit kämpfen.  

1711 kommt es zum Krieg, die Skarù·ręʔ überfallen New Bern, die Stadt wird fast gänzlich zerstört. 1712 verlieren die Skarù·ręʔ ihren Kampf, Hunderte von ihnen werden getötet, gefangen genommen und in die Sklaverei verkauft.

San Carlos

Als sich die südamerikanischen Länder ab 1809 von den spanischen und portugiesischen Kolonialmächten lösen, entstehen freie Staaten, die von einer weissen und kreolischen Elite regiert werden. Diese sollen zu weissen Gesellschaften nach europäischem Vorbild werden.

Zwischen 1856 und 1896 werden über 20 Schweizer Siedlungskolonien in Argentinien gegründet – grösstenteils von verarmten Bäuerinnen und Bauern aus den Bergtälern des Wallis – wie etwa die Kolonie San Carlos.

Armut
Viele Siedlerinnen und Siedler sind aus Armutsgründe aus der Schweiz ausgewandert. Oft werden sie in der neuen Heimat nicht reich. Wirtschaftlich besser geht es erst der zweiten oder dritten Generation.

Kolonie San Carlos, 1883 | Schweizerisches Wirtschaftsarchiv, Basel

Diese Fotografie zeigt einerseits die ärmlichen Lebensbedingungen der Siedlerinnen und Siedler, andererseits zementiert es auch die Vorstellung von dem weitläufigen und unbewohnten Land. Nicht zu sehen ist, dass sich die Siedler und Siedlerinnen auf Land niederlassen, das zeitweise von Indigenen bewohnt ist. Diese werden mit Gewalt vertrieben.

Und heute?

Ende des 19. Jahrhunderts erobert der chilenische Staat weite Teile im heutigen Süden Chiles, wo die Mapuche in Selbstverwaltung leben; sie werden ermordet, enteignet und entrechtet. Das Land wird an Siedlerinnen und Siedler aus Europa verteilt, wie etwa an die Familie Luchsinger aus Engi (GL).

Bis heute kämpfen die Mapuche für die Rückgabe ihres Landes, darunter auch Land von den Nachfahren der Luchsingers. Die Familie Luchsinger hingegen sieht sich als rechtmässige Eigentümerin des Landes.

Biografie: Christoph von Graffenried & Chief Hancock

biografie-christoph-von-graffenried.pdf
biografie-chief-hancock.pdf

Verkaufen, was einem nicht gehört
Die Arbeit Free To All besteht zum einen aus einem historischen Plakat der Kansas Pacific Railway und zum anderen aus der Darstellung eines Kaw, einem Angehörigen eines indianischen Stammes. Der Kaw in der Mitte überdeckt den Schriftzug, der für die aussergewöhnliche Landschaft wirbt, die mit dem Zug entdeckt werden kann.

Das Plakat verspricht Millionen Hektar Land Free To All: Diese Inschrift findet sich im Stempel oben rechts auf dem Plakat. Chris Pappan platziert die historische Fotografie des Kaw-Manns in der Mitte um zu zeigen, dass dieses Land keineswegs frei für alle ist: Land, das eigentlich der indigenen Bevölkerung gehört, wird für viel Geld verkauft und privatisiert. Die indigene Bevölkerung bezahlt dieses Land mit Zwangsumsiedlung oder mit ihrem Leben.

FREE TO ALL, Chris Pappan, 2013, Acryl und Blattgold auf Holz. Sammlung NONAM

Plakat Kansas Pacific Railway, Kansas Pacific Railway Company, zwischen 1880 und 1900, Kansas Historical Society

Foto: Kaw-Angehöriger, möglicherweise No-pa-wy, Alexander Gardner, Washington D.C., 1867, National Museum of the American Indian, P10140

Wir sind noch hier: Die Kunst von Chris Pappan
Chris Pappan (*1971, Colorado Springs, USA) bringt mit seiner Kunst die Geschichten seiner Vorfahren vom Stamm der Osage und Kaw in die Gegenwart. Seine Arbeiten basieren auf der ledger art, einer traditionellen Kunstform der indianischen Bevölkerung, die seit 1865 auf Papier verbreitet ist. Der Künstler weist mit seinen Werken darauf hin, dass die Geschichte dieser Menschen nicht mit der Vertreibung in die Reservate endet, sondern dass sie bis heute einen Teil der amerikanischen Gesellschaft sind. So lautet die zentrale Botschaft seiner Kunst: «We are still here».

Individuen statt Stereotypen
Historische Fotografien inspirieren den Künstler für seine gegenwärtigen Arbeiten. Die Bilder helfen Pappan, in das Leben dieser Menschen einzutauchen. Die Kehrseite der Bilder ist, dass diese oft manipuliert wurden und dazu dienten, Stereotypen zu verbreiten und zu reproduzieren.

In seiner Arbeit Scouts Honor zeigt Pappan ein Halstuch aus dem Jahr 1971 mit einem stereotypen Aufdruck in der Mitte. Pappan stellt diesem Aufdruck zwei Porträts gegenüber, die zwei eigenständige, individuelle Menschen mit unterschiedlichen Gesichtszügen und Eigenschaften zeigen. Sie stehen nur für sich als Individuum, im Gegenzug zum Aufdruck, der stereotyp und oberflächlich verschiedene Bevölkerungsgruppen zusammenfasst.

Scouts Honor, Chris Pappan, 2019-2020, Foto: Chris Pappan

Mission

Seit dem 16. Jahrhundert sind Schweizer Missionare, zunächst Jesuiten in Lateinamerika, in fast allen Weltregionen tätig, um die dort lebenden Menschen dem christlichen Glauben zuzuführen. Eines der ersten und grössten evangelischen Missionswerke in Europa ist die Basler Mission.

Missionarinnen und Missionare errichten zusammen mit lokalen Autoritäten Spitäler und Schulen. Mitunter stossen sie gesellschaftliche Veränderungen an, jedoch prägt häufig ein paternalistisches Selbstverständnis die Beziehungen. Zurück in der Heimat vermitteln die Missionare das Bild von unterlegenen Kulturen in den Kolonialgebieten.

Die Basler Mission

Fromme Bürger der bürgerlichen Elite Basels gründen mit süddeutschen Pietisten 1815 die Basler Mission. Ab 1828 werden Missionare an die Goldküste, heute Ghana, und ab 1834 nach Südindien geschickt, wo sie die religiöse Bekehrung der lokalen Bevölkerung vornehmen und vermeintlich «wohlthätige Civilisation» bringen.

Unverheiratete Frauen werden ab 1901 ebenfalls in die Missionsgebiete gesandt – die Zentrale in Basel verspricht sich bessere «Bekehrungserfolge» bei den «heidnischen» Frauen.

Modellfiguren
Mit Tonfiguren aus Indien wird den angehenden Missionaren und auch der Gemeinde in Basel die Lebenswelt im zukünftigen Missionsgebiet nähergebracht. Die Figuren sollen in die indische Gesellschaftsstruktur einführen.

Modellfiguren, Indien, ca. 1886 | Sammlung der Basler Mission Depositum 1981, Museum der Kulturen Basel

Tagebuch einer Missionarin
Maria Müller-Kapff, Ehefrau des Missionars Wilhelm Müller in Kalikut, Indien, beschreibt die Situation während des Ersten Weltkriegs, als die Missionare von den Briten interniert werden. Ihr Mann kommt in Schutzhaft.

Tagebücher über einige Erlebnisse in Indien während der Kriegszeit 1914-1915, Maria Müller-Kapf | Mission 21, Bestand der Basler Mission

Frauen dürfen bis 1901 nicht als Missionarinnen tätig sein. Ihre einzige Chance ist die arrangierte Heirat mit einem ledigen Missionar. Viele Frauen sind bereit, zu einem unbekannten Bräutigam in die Ferne zu ziehen, weil sie dort neben ihrem Ehemann ein selbstständiges Leben führen können. Erst ab 1901 rekrutiert die Basler Mission auch ledige Frauen für die Mission.

Biografie: Gewe, genannt Catherine, Zimmermann-Mulgrave

biografie-gewe-genannt-catherine-zimmermann-mulgrave.pdf

Und heute?

Seit Gründung der Basler Mission wird auch Kritik an ihr geübt, die schliesslich Mitte der 1950er Jahren zum Abbruch der Missionsarbeit führt. Die Kritik richtet sich gegen die Bekehrungen und ein Sendungsbewusstsein, das von einer vermeintlich überlegenen europäischen Kultur getrieben ist.

Als positive Folge sieht der indische Historiker Mukesh Kumar die gesundheits- und bildungspolitische Einrichtungen, die vielerorts das Leben von konvertierten Teilen der Bevölkerung erleichtern. 

Queerer Aktivismus
Als queerer Künstler beschäftigt sich Sandeep TK mit den Spannungsfeldern zwischen Varnas, Klassen und Geschlecht, bezieht aber auch globale Machtstrukturen, die durch das Erbe kolonialer Vergangenheit entstanden sind, mit ein. Gerade queere Menschen verlassen oft ihre Heimatdörfer, um den Strukturen zu entfliehen, mit dem Preis einen Teil der eigenen Kultur zurückzulassen und sich an eine neue Lebensweise anpassen zu müssen:

«Ich befasse mich auch mit den Bestrebungen von queeren Menschen aus der Kleinstadt, in eine grössere Stadt zu ziehen, um Teil der urbanen Kultur und des umfassenderen Queer-Netzwerks zu werden. [...] Es ist eine kollektive Erfahrung von Queers aus Kleinstädten, die mit den Schwierigkeiten einhergeht, sich an eine neue urbane Kultur, Sprache und Lebensweise in der Stadt anzupassen.»

Foto: Social Media des Künstlers

Fotoserie «Let me add something in my own melody»
In seinem Schaffensprozess merkt der Künstler, dass auf Fotografien oftmals Personen passiv, ohne Selbstbestimmung und in Abhängigkeit von der fotografierenden Person abgelichtet werden. Er verbindet die passive Stellung von Personen in Fotografien mit Geschichten seiner Vorfahren im Umfeld kolonialer Strukturen. Er beschliesst deshalb, diese Geschichten anders zu erzählen und sich dabei selbst abzulichten. Mit Selbstportraits schafft er eigene, neue Bilder der Vergangenheit, die eine selbstermächtigte Person zeigen – seiner selbst.

Die Fotoserie zeigt den Künstler in inszenierten Posen, die Geschichten seiner Grossmutter, seines Vaters sowie aus Briefen Zeit der Basler Mission erzählen.

«Die Basler Mission kam nach Malabar mit dem Ziel, christliche Botschaften zu verbreiten. Um ihr Ziel zu erreichen, errichteten sie Schulen, Fliesenfabriken und Webereien, um Menschen aus den untersten Schichten der Bevölkerung zu beschäftigen.»

Aus der Serie Let me add something in my own melody, 2020 | Courtesy of Sandeep TK

«Ich habe Anzug und Hose vor dem Spiegel getragen, wenn niemand zusah, als ich erfuhr, dass ich den Job bekommen hatte. Ich habe nie den Mut aufgebracht, ihn vor Freunden zu tragen, aber ich habe ihn einmal getragen, als ich in eine Stadt gezogen bin.»

Aus der Serie Let me add something in my own melody, 2020 | Courtesy of Sandeep TK

Forschung im Missionsarchiv Basel
«Vor einigen Jahren hatte ich im Rahmen eines Pro-Helvetia-Aufenthalts die Gelegenheit, einige Zeit im Missions-Archiv in Basel zu verbringen. […] Die Basler Mission war ein christliches Missionswerk, ein europäisches Unternehmen mit imperialen Untertönen der damaligen Zeit. Aber sie (die Missionare) brachten frischen Wind in die Region und konnten die Situation der unberührbaren Kasten als das sehen, was sie war: Unterdrückung. Und in dem Masse, in dem sie helfen konnten, waren die Menschen dankbar, auch wenn die Aktion vom Eifer der religiösen Bekehrung und der zivilisatorischen Mission angetrieben wurde. Als jemand, der aus denselben unberührbaren Kasten stammt wie sie, aus einer Familie, die nicht konvertiert ist, hatte ich verständlicherweise eine komplexe Reaktion auf ihr Vermächtnis in meinem Heimatland.»

Zitat aus: Reading the Body: In Conversation with Sandeep TK, MALLIKA VISVANATHANFEB 26, 2024. Asap Art, alternative South Asia Photography

Foto: Social Media des Künstlers

Experten

Zahlreiche Schweizer Experten sind ab Mitte des 19. Jahrhunderts im Dienst der Kolonialmächte tätig. Geologen suchen Öl, Ingenieure errichten Brücken, Beamte treiben Steuern ein. Ihr Fachwissen dient der kolonialen Erschliessung und Administration des Landes.

Im Kongo-Freistaat (1885–1908), Privatkolonie des belgischen Königs Leopold II, arbeiten rund 200 Schweizer. Einige wie Daniel Bersot äussern sich in Berichten kritisch zur rücksichtslosen Gewinnmaximierung und den Gewaltexzessen. Erwin Federspiel hingegen relativiert die Geschehnisse und rechtfertigt die Kolonialherrschaft. Die «Kongogräuel», die Zwangsarbeit zur Kautschukgewinnung und brutale Gewalttaten, werden dank dieser Berichte in der Schweiz bekannt und öffentlich diskutiert.

Ambivalente Kritik
Der Neuenburger Daniel Bersot (1873–1916) ist ab 1897/98 für drei Monate als Beamter im Kongo-Freistaat. Nach seiner Rückkehr äussert er Kritik am Kolonialismus und berichtet in seinem Buch von Misshandlungen mit der «chicote», einer Flusspferdhautpeitsche, die beispielsweise zur Bestrafung bei Nichteinhalten der Kautschuklieferquoten eingesetzt wurde. Trotzdem finden sich im Buch aber auch rassistische Aussagen.

«Unter der Chicote ! diese drei Worte fassen die Geschichte Zentralafrikas des letzten Vierteljahrhunderts zusammen; sie charakterisieren das Regime der Unterdrückung, die gnadenlose Ausbeutung, der ein riesiges Land ausgesetzt ist; sie umreissen das Leben von Angst und Mühsal/Arbeit der N— im Kongo.»

Sous la chicote, Daniel Bersot, Genf, 1909 | Patrick Minder, Fribourg

Rechtfertigungsversuch
Erwin Federspiel (1871–1922) ist ab 1898 für zehn Jahre bei der force publique, der Militär- und Polizeitruppe des Kongo-Freistaats. Diese schlägt den Widerstand der lokalen Bevölkerung mit extremer Gewalt nieder.  Selber beteiligt am Eintreiben von Steuern während der Kongo-Gräuel, verharmlost und rechtfertigt Federspiel die Geschehnisse in seiner Schrift.

Wie es im Congostaat zugeht, Erwin Federspiel, Zürich, 1909 | Zentralbibliothek Zürich, Bro 12780

Der Anwerber
Jean Boillot-Robert (1913†) ist ab 1901 belgischer Konsul in Neuchâtel und rekrutiert, gegen eine Provision, Schweizer aus der Region als Beamte für den Kongo-Freistaat. Für diese Zwecken veröffentlicht er dieses Buch. Er trägt darin beschönigende «Augenzeugenberichte» von Schweizer Rückkehrern aus der Kolonie zusammen.

Leopold II et le Congo – Nos fils au continent noir, Jean Boillot-Robert, Neuchâtel, 1904 | Patrick Minder, Fribourg

Biografie: Paul Moehr & Albert Béguin

biografie-paul-moehr.pdf
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Wissenschaft

Schweizer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen können unter kolonialer Schirmherrschaft Forschung in Botanik, Tropenmedizin oder etwa Linguistik betreiben. Ihre Erkenntnisse helfen den Kolonialmächten: Kartografie, «völkerkundliches» Wissen oder die Geologie dienen der Unterwerfung und dem Ressourcenabbau.

Indigenes Wissen wird ignoriert oder angeeignet. Die Forscher und Forscherinnen «entdecken» Landmarken, Tier- oder Pflanzenarten, die den kolonisierten Menschen längst bekannt sind. Daraus können Schweizer Forschende für sich Ruhm und Profit schlagen, ohne die eigentliche Urheberschaft zu nennen.

Naturforscher
Die Basler Fritz (1859–1942) und Paul (1856–1929) Sarasin unternehmen von 1883 bis 1907 Forschungsexpeditionen in die Kolonialgebiete Ceylon (heute Sri Lanka) und Celebes (heute Sulawesi in Indonesien). Ausgerüstet mit Messgeräten und mithilfe von Zwangsarbeitern erforschen sie geologische, biogeographische und rassenanthropologische Grenzverläufe.

Fernrohr von Paul Sarasin, um 1900 | Historisches Museum Basel, Erben Beatrix Staub-Sarasin

Arnold Heim | © ETH-Bibliothek Zürich

Forschungsexpeditionen
Der Geologe Arnold Heim (1882–1965) forscht auf allen Kontinenten. Viele seiner petrologischen Forschungsreisen sind von Ölfirmen finanziert. Im Verlauf seiner Karriere entwickelt er sich zum Naturschützer und Befürworter der Dekolonisierung.

Virunga-Expedition, Jon Feuerstein, Mutandasee (Uganda), 1954  | ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv, Hs_0494b-0090-003-AL

Der wagemutige Forscher, der auf sich gestellt «tief» in unbekannte Gefilde vordringt und als «Erster» dies oder jenes entdeckt oder fotografiert, ist ein Mythos. Ohne lokale Zusammenarbeit ist koloniale Forschung nicht möglich. Mit ihrem Wissen und ihrer Tatkraft sind Kolonisierte massgeblich an der geteilten Wissensgeschichte beteiligt. Doch wird ihnen das Entdecken und Wissen über ihre eigene Umgebung abgesprochen.

Und heute?

Seit den 1960er Jahren fordern ehemals kolonisierte Länder die Rückgabe von geraubten Kulturgütern und menschlichen Überresten. Doch erst in den letzten Jahren wird der Umgang mit kolonialen Museumssammlungen öffentlich debattiert, und der Bundesrat schafft 2023 eine Unabhängige Expertenkommission für belastetes Kulturerbe.

Die Dekolonialisierung hat Einzug in die Museen gehalten: So stehen auch die Untersuchung der Erwerbsumstände und die Rückgabe von Objekten auf der Agenda vieler Schweizer Museen.

Ausbeutung der Natur

Mit dem Kolonialismus geht im Laufe des 19. Jahrhunderts auch eine tiefgreifende Veränderung und Zerstörung von Landschaften, Flora und Fauna einher – mit bis heute spürbaren Klimafolgen.

Die Kolonien dienen als scheinbar unversiegbare Quellen natürlicher Ressourcen. Deren Nachfrage steigt mit der Industrialisierung Europas stark an. Auch Schweizerinnen und Schweizer plündern natürliche Ressourcen, indem sie intensive Plantagenwirtschaft oder Grosswildjagd betreiben, wie Beispiele aus Sumatra und Ostafrika zeigen.

«Anfang einer Pflanzung»
Fotos in den Alben der Schweizer «Pflanzer» zeigen gerodete Waldflächen. Der kolonialen Plantagenökonomie auf Sumatra fallen riesige Waldflächen zum Opfer. Die tiefgreifende Veränderung der Natur wird als Notwendigkeit zur Steigerung des Profits hingenommen.

Album von Karl Krüsi, Sumatra, ca. 1880-1900 | Schweizerisches Nationalmuseum

Artenvielfalt in Gefahr
Die Gewinnung von Land geht einher mit Lebensraumverlust. Die Biodiversität nimmt stark ab.  Waldrodungen wirken sich negativ auf das Klima aus. Die Kolonien werden als scheinbar unversiegbare Quellen natürlicher Ressourcen ausgebeutet.

«Pflanzer» vor gerodetem Feld, Sumatra, Ende 19. Jh. | Museum Heiden, Nachlass Traugott Zimmermann

Widerstand
Die Plantagenwirtschaft birgt viel Konfliktpotenzial. Dieser Brief an den Zürcher Plantagenbesitzer Karl Fürchtegott Grob (1830–1893), zeugt vom lokalen Widerstand. Der Absender droht mit Brandstiftung werden seine Bedingungen nicht erfüllt.

Brandbrief mit Inschrift in einer Batak-Sprache, Sumatra 1875-80 | Völkerkundemuseum der Universität Zürich, Inv.nr. VMZ 01006, © Kathrin Leuenberger

Rückbesinnung
Heute wird in Indonesien diskutiert, ob indigenes Wissen den bedrohten Wald retten könnte. Gemeint sind die ökologischen Kulturtechniken der Batak. Dieses Buch in ihrer Ritualsprache aus Rindenbast zeugt von ihrer engen Beziehung zur Natur.

«Orakelbuch» Pustaha, Sumatra, ca. 18301848 | Rätisches Museum, Chur

Und heute?

Der Kolonialismus ist auch ein Treiber des Klimawandels. Die umweltschädliche Plantagenwirtschaft verschlingt bis heute riesige Waldflächen. Der im Wald gespeicherte Kohlenstoff wird dabei in die Atmosphäre freigesetzt und trägt massgeblich zum Treibhauseffekt bei.

Die ehemaligen Kolonien tragen die Kosten. Sie sind ungleich stärker von Klimawandelfolgen, wie etwa dem Meeresspiegelanstieg, betroffen. Deswegen fordern Aktivistinnen und Aktivisten sowie internationale Organisationen «Klimagerechtigkeit» ein.

Kontinuität
Der indonesische Künstler Maryanto beschäftigt sich mit Naturausbeutung und postkolonialen Strukturen. Mit diesen Palmölfrüchten thematisiert er die Plantagenexpansion auf Borneo, die Verdrängung indigener Gemeinschaften und Waldzerstörung.

Maryanto, Fresh Fruit Bunch, Yogyakarta 2023, Acryl auf Leinwand | Yeo Workshop, Singapore

Die Reise auf der Suche nach Palmöl
Maryanto forscht für seine Kunst in seiner Heimat, Indonesien. In Videoaufnahmen beschreibt der Künstler seine Ankunft auf der Insel Kalimantan:

«Ursprünglich hatte ich mir Kalimantan als eine naturschöne Gegend mit dichten Wäldern und grossen Bäumen vorgestellt, aber die Realität sah anders aus. Die Reise war gesäumt von grossen Lastwagen, die Kohle und Palmöl transportierten.»

Maryanto, Perjalanan Kelapa Sawit (Die Reise auf der Suche nach Palmöl), 2023 | © Maryanto

Palmöl im täglichen Leben
In diesem Werk wird die Ölpalme von einer Flut von bekannten Logos grosser Unternehmen und Haushaltsmarken umgeben: Von Oreo bis Nestlé enthalten diese Produkte alle Palmöl, das möglicherweise von Plantagen in Indonesien stammt. Maryanto fordert auf, anzuerkennen, wie allgegenwärtig Palmöl geworden ist, vielleicht sogar unwissentlich. Angelehnt an ein improvisiertes Plakat von aktivistischen Personen und Demonstrierenden steht Palm oil in daily life für die Leidenschaft, die indigenen Gemeinschaften aufbringen, um ihre Wälder zu schützen.

Maryanto, Palm oil in daily life, 2023 | © Maryanto

Rassismus

Bis Ende des 17. Jahrhunderts wird die vermeintliche Überlegenheit der christlichen Kultur als Ausdruck einer «göttlichen Ordnung» angesehen. Im Zug der Aufklärung wird diese jedoch in Frage gestellt.

An der Wende zum 19. Jahrhundert verfestigen sich in Europa sogenannte «Rassentheorien». Diese begründen die vermeintliche Überlegenheit der «weissen Rasse» nicht mehr religiös, sondern «biologisch». Dazu zählen Körpermerkmale wie Haarstruktur, Augenfarbe oder Schädelform. Die daraus hervorgehende «Rassenlehre» trägt wesentlich zur Legitimierung imperialer Herrschaft und Ausbeutung «fremder Rassen» in den Kolonien bei.

Obwohl die «Rassenforschung» in dieser Zeit vereinzelt als pseudowissenschaftlich kritisiert wird, setzt sie sich bis zum Zweiten Weltkrieg (1939–1945) als wichtiger Forschungszweig durch. Heute gilt die Idee der «Menschenrasse», u.a. auch Dank der Gen-Forschung, als offiziell widerlegt.

Rassismus und Wissenschaft

Die Universitäten Zürich und Genf entwickeln sich um 1900 zu internationalen Zentren für «Rassenanthropologie». «Rassenkundler» vermessen Schädel von Menschen aus aller Welt und teilen sie in «Rassen» ein. Insbesondere die Methode der «Zürcher Schule» wird ab den 1920er Jahren zum international anerkannten Standard.

Diese Untersuchungen dienen auch dazu, eine angeblich bedrohte «weisse Rasse» zu schützen. «Rassenlehre» und Eugenik werden in der Schweiz vereinzelt noch bis in die 1960er Jahre betrieben.

Vermessung
Unrühmliche Berühmtheit erlangt das Zürcher Institut für Anthropologie für seine Messmethoden – beispielsweise für die Vermessung von Schädeln. Die Entwicklung und Erprobung der Messmethoden und Instrumente finden in den Kolonien statt.

Messzirkel, Siber Hegner & Co. AG, Zürich, um 1960 | Institut für Medizingeschichte, Universität Bern

Schweizer Rassenforscher

Professor in Harvard mit grossem Einfluss

Der Zoologe, Paläontolge und Gletscherforscher Louis Agassiz (1807–1873) wandert 1846 in die USA aus und wird einer der Hauptgegner von Darwins Evolutionstheorie. In seiner Theorie der Hierarchie der «Rassen» teilt er die Menschheit mit einer klaren Rangordnung ein, wobei er die «weisse Rasse» der «schwarzen Rasse» als überlegen ansieht. Agassiz lehnt die «Rassenmischung» ab – «Mischlinge» definiert er als minderwertig und will den amerikanischen Staat zur räumlichen Rassentrennung und zur Beschleunigung des Verschwindens der «Mischlinge» verpflichten.

Die Forderung nach Umbenennung des Agassizhorns lehnt der Bundesrat 2007 sowie die drei Gemeinden Grindelwald, Guttannen und Fieschertal 2010 sowie 2020 ab. In Neuenburg hingegen wird der Platz «Espace Louis-Agassiz» 2019 in «Espace Tilo-Frey» umbenannt.

Carte de Visite von Louis Agassiz, William Shaw Warren, um 1865 via Wikimedia Commons

Evolutionstheorie als Grundstein

Als entschiedener Anhänger des Polygenismus, der Lehre der verschiedenen Ursprünge von Menschen verschiedener Rassen, vertritt Carl Vogt (1817–1895) den Standpunkt, dass Menschen sich nicht aus einen, sondern aus mehreren menschenähnlichen Affen entwickelt hätten. Daraus schliesst er, dass Schwarze Menschen, besonders Schwarze Frauen, evolutiontionär am wenigsten entwickelt seien. Besonders an Gehirn- und Schädelform will Vogt erkennen, dass die grössten Unterschiede nicht zwischen Schwarzen und weissen Menschen sind, sondern zwischen den Geschlechtern innerhalb einer «Rasse». 1839-1844 assistiert er Louis Agassiz in Neuenburg und ist 1873 Mitgründer der Universität Genf.

Carl Vogt, K.K. Hofphotograph, Wien, ca. 1860 | The New York Public Library

Strikte Trennung der «Rassen»

Der Arzt Auguste Forel (1848–1931) vertritt Vorstellungen von Eugenik und ist für die Bewahrung und Förderung der Homogenität der weissen Rasse. Seine eugenischen und rassistischen Ideen fliessen in den schweizerischen naturwissenschaftlichen Diskurs ein, der den kolonialen Superioritätsanspruch unterfüttert.

Auguste Forel, aus: Clark University, 1889-1899, decennial celebration, Worcester, Mass, 1899 | Internet Archive

Naturgegebene Überlegenheit

Der Maschineningenieur Julius Klaus (1849–1920) ist überzeugter Darwinist und glaubt an genetisch hochwertige und minderwertige «Menschenrassen». Wobei die weisse Rasse naturgegeben allen anderen gegenüber überlegen sei. Klaus rechtfertigt so den Kolonialismus. Mithilfe der Fördergelder von Klaus über rund 1'275'000 Fr. wird die Julius-Klaus-Stiftung (1922) gegründet, die heute als «Katalysator» der Genetik und Rassenforschung gilt.

Julius Klaus, Reglement der Julius Klaus-Stiftung, Zürich, 1925 | Wellcome Collection

Hierarchie der «Rassen»

Der Zoologe Emile Yung (1854–1918) formuliert zwischen 1880 und 1910 zahlreiche Theorien zur vergleichenden Anatomie zwischen den verschiedenen menschlichen «Rassen» und Affen. Ähnlich wie Carl Vogts Theorien beschränkt er sich bei der Hierarchisierung nicht auf die «Rasse», sondern bezieht sich auch auf Geschlecht und Klasse. Yung praktiziert auch Messungen an den Körpern Schwarzer Menschen, die an der Schweizer Landesausstellung von 1896 im «Village Noir» ausgestellt sind.

Emile Yung, Jean Lacroix, Genf | Bibliothèque de Genève

 «Rassenhygiene» und Ethik

Der Psychiater Paul Eugen Bleuler (1858–1939) bezieht sich, wie die meisten Universitätspsychiater seiner Zeit, in seiner Forschung auf die «Degenerationslehre», der zufolge psychische Erkrankungen als eine Art «Entartung» zu sehen seien. Dabei verschränkt sich die «Degenerationslehre» mit eugenischen und später «rassenhygienischen» Ideen. In Bleulers Aufsatz Die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Ethik (1936) bekräftigt er die Notwendigkeit einer strikten Rassenhygiene als Grundlange einer konsistenten Gesellschaftsordnung.

Paul Eugen Bleuler, ca. 1910 | ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv, Portr_09914

Politisierung der «Rassenhygiene»

Einst Schüler von Auguste Forel, gründet Ernst Rüdin (1874–1952) die vom Deutschen Alfred Ploetz herausgegebene Zeitschrift «Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie» mit. In diesem «rassenhygienischen» Kampfblatt schreibt Rüdin über die Bildungsleistung von Schwarzen Amerikanern als «eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die weisse Rasse» und warnt vor «einer Vermischung mit weissem Blut». 1905 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der von Alfred Ploetz präsidierten «Gesellschaft für Rassenhygiene».

Ernst Rüdin, aus: Erblehre und Rassenhygiene im völkischen Staat, Ernst Rüdin, München, 1934 | Zentralbibliohthek Zürich, JKS A 1292

Pseudo-wissenschaftlicher Antisemitismus

George Montandon (1879–1944) wird europaweit berühmt, nachdem er im Oktober 1940, nach der Kapitulation von Frankreich, im Werk Comment reconnaître le Juif?  antisemitische «Rassenthesen» formuliert. Von 1941 bis 1942 werden seine «Rassenthesen» im Deutschen Reich in die Praxis umgesetzt. In Frankreich arbeitet Montandon als «Rassenexperte in Judenfragen» für die Nazis.

George Montandon, Neuchâtel, 1913 | Zentralbibliothek Zürich, BR 435

Für den Erhalt der «weissen Rasse»

Der Anthropologe Otto Schlaginhaufen (1879–1973) gehört 1921 zu den Mitbegründern der Julius-Klaus-Stiftung für Vererbungsforschung, Sozialanthropologie und Rassenhygiene, deren Ziel es ist, die «praktischen Reformen zur Verbesserung der weissen Rasse» vorzubereiten und durchzuführen. Mit dem Ziel, die Grundlagen für eine Rassentypologie der Schweizer Bevölkerung zu schaffen, vermisst Schlaginhaufen Schädel von asiatischen Menschen und ist Leiter des ersten Schweizerischen eugenischen Grossprojekts, bei dem über 35'000 Wehrpflichtige der Jahre 1927 bis 1932 anthropologisch vermessen werden.

Otto Schlaginhaufen, Franz Schmelhaus, Zürich, 1914 | Universitätsarchiv Zürich, UAZ AB.1.0873

Neue Autorität für die Schweizer «Rassenforschung»

Marc-Rodolphe Sauter (1914–1983) ist ein Schüler des Genfer Anthropologen Eugène Pittard (1867–1962) und hat nach dessen Emeritierung den Lehrstuhl für Anthropologie in Genf inne. Sauter sorgt dafür, dass die «Rassenforschung» mehrere Jahrzehnte auf der Agenda der Genfer Anthropologie verbleibt. In seiner Forschung ist er bestrebt, die europäische Bevölkerung in verschiedene «Rassen» einzuteilen und zu klassifizieren, mit dem Ziel, der schweizerischen «Rassenforschung» nach dem Zweiten Weltkrieg neue Autorität zu verleihen.

Marc Roldolphe Sauter, vor 1952 | Bibliothèque de Genève

Struktureller Rassismus heute

Struktureller Rassismus geht von Institutionen und Normen aus und meint die Benachteiligung bei Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnungssuche und Beruf sowie das sogenannte «Racial Profiling», die polizeiliche Kontrolle aufgrund der Hautfarbe.

Die auf Erfahrungsberichten basierende Grundlagestudie der Fachstelle für Rassismusbekämpfung in der Schweiz zeigt 2022, dass Menschen aus Südosteuropa, Schwarze Menschen sowie religiöse Minderheiten struktureller Diskriminierung ausgesetzt sind.

Widerstand und Empowerment

Seit den 1970er Jahren setzen sich verschiedene Vereine und Einzelpersonen gegen Rassismus und Diskriminierung in der Schweiz ein. 1995 wird die Rassismus-Strafnorm in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Das Gesetz schützt Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe, Ethnie oder Religion diskriminiert, bedroht oder herabgesetzt werden.

Neben zahlreichen autonomen Netzwerken und Organisationen gibt es in fast jedem Kanton eine staatliche Fach- oder Anlaufstelle für die Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung.             

Robin Bervini, *1989, Tessin

Es hat lange gedauert, bis ich meine Hautfarbe und mein Schwarzes Erbe akzeptiert habe. Ich hoffe, dass ich durch meine Arbeit und meinen Weg der Selbstakzeptanz andere Menschen inspirieren und mit ihnen in Kontakt treten kann - unabhängig von ihrer Kultur, ihrem Geschlecht oder ihrer Klasse.

Robin Bervini ist ein Schweizer Fotograf und bildender Künstler. Seine Arbeit konzentriert sich zum einen auf den Menschen, zum anderen auf das technische Experimentieren, um neue Ausdrucksformen zu finden. In seinem Studium konzentrierte sich Bervini zunächst auf Porträts und den Körper, den er mit traditionellem und Sofortbildfilm erkundete.  Aktuell erforscht Bervini neue Techniken zur Darstellung des Individuums durch Photogrammetrie, 3D-Modellierung und virtueller Realität und fokussiert sich dabei auf ethnische Identität, Geschlecht und soziale Zugehörigkeit. Robin Bervini ist derzeit als Creative Producer bei Stojan.com tätig.

Bervinis Arbeiten wurden bereits in Tokio, Paris, Zürich, Genf, Lugano und Locarno ausgestellt.

Marion Hermann, *1975, Zürich/Bern

Ich versuche Menschen, die nicht die gleichen Privilegien haben wie ich, selbst in die Sichtbarkeit zu bringen.

Marion Hermann ist mitinhabende und geschäftsführende Person des Zwischennutzungsprojekts «Das Dazw/schen» in Zürich.

«Das Dazw/schen» versucht sicherzustellen, dass auch Personen, die von strukturellem Rassismus betroffen sind, Zugang zu Mietobjekten haben und  Raum erhalten. Ich versuche den administrativen Weg so gering wie möglich zu halten und nehme mir gerne Zeit, falls Unterstützung erwünscht ist. So finden auch sehr viele NGO's den Weg ins «Das Dazw/schen».

Hermann bezeichnet sich als «Aktivist*in». So ist Marion auch immer wieder an Veranstaltungen und Demonstrationen anzutreffen bei denen es um Menschenrechte geht

Mardoché Kabengele, *1995, Bern

Um einen Diskurs über Rassismus führen zu können, ist es wichtig, an die Geschichte des Rassismus und an den Kampf der Zivilgesellschaft gegen Rassismus zu erinnern.

Mardoché Kabengele ist Mitglied des Berner Rassismus-Stammtisch, bei dem er sich für die Vernetzung von Menschen mit unterschiedlichen Lebensrealitäten und gegen strukturelle Diskriminierung engagiert. Er ist ausserdem in verschiedenen Kollektiven aktiv, wie dem Community-Center Livingroom oder dem Diskussionsformat «We talk – Schweiz ungefiltert». Seit 2020 ist er als administrativer Mitarbeiter der Geschäftsstelle des Institut Neue Schweiz tätig. Der 29-jährige stellt sich aktuell die Fragen über aktivistische Utopien und sich setzt sich ein für einen «unaufgeregten Diskurs» über (Post-)Migration ein. Denn für Kabengele ist Migration heute kein Ausnahmezustand, sondern gehört zum Alltag der Schweizer Gesellschaft.

Sandra Knecht, *1968, Basel/Buus

Heimat muss immer wieder verhandelt werden – Und genau das mache ich in meiner Arbeit.

Aufgewachsen ist Sandra Knecht im Zürcher Oberland. Bevor sie sich entschied, hauptsächlich als Künstlerin zu leben und zu arbeiten, war sie während 25 Jahren als Sozialpädagogin tätig. In ihren künstlerischen Arbeiten beschäftigt sie sich vor allem mit den Themen Identität und Heimat oder «Heimatidentität», wie Knecht es selbst nennt. Für ihr Werk My Land Is Your Land, für das sie mit dem Schweizer Kunstpreis 2022 ausgezeichnet wurde, untersucht Sandra Knecht das Konzept «Heimat», das für sie stark von Inklusion und Solidarität geprägt ist. Heimat als unbekannter Ort (Home is a Foreign Place), beschäftigt Knecht nun seit mehreren Jahren, wobei sie das Leben auf dem Land als Ausgangspunkt nimmt. Sandra Knecht eröffnete im November 2015 die «Chnächt» Scheune im Basler Hafenareal. Damit schuf sie einen «Heimatort» inmitten eines Unortes, an dem alle Menschen willkommen sind.

Zur künstlerischen Praxis von Sandra Knecht gehören auch  Kochen, Filme und Performance.

Shyaka Kagame, *1983, Genf

Ich würde meine Arbeit nicht unbedingt als «aktivistisch» bezeichnen. Am ehesten würde ich sagen, dass ich den Ansatz des Hip-Hop verfolge: zu erforschen, was man selbst ist und was unsere Mitmenschen erleben.

Shyaka Kagame wurde 1983 als Sohn ruandischer Eltern in Genf geboren.

Nach seinem Studium der Politikwissenschaften begann er, Dokumentarfilme zu drehen, von denen der erste, Bounty (JMH & FILO Films/RTS), 2017 in den Kinos lief. Der Film befasst sich mit den Identitätsfragen der ersten Afro-Schweizer Generation und konzentriert sich auf den Alltag von fünf Personen mit unterschiedlichen Profilen.

2018 drehte er für das TV-Nachrichtenmagazin Temps Présent (RTS) eine Reportage mit dem Titel Policiers Vaudois, une violente série noire, in der es um die Zunahme der Todesfälle von Schwarzen im Zusammenhang mit Polizeieinsätzen im Kanton Waadt ging.

Walesca Frank, *1991, Luzern

Unsere individuellen Unterschiede sind das, was uns als Gesellschaft stark macht.

Walesca Frank versteht sich als aktivistische Kommunikationsdesignerin und hat 2022 mit dem «Black Stammtisch» in Luzern ein Projekt zur Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, das Bewusstsein für kulturelle Vielfalt zu fördern und die visuelle Repräsentation von Schwarzen Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei geht es ihr nicht nur um die Darstellung in den Medien, sondern auch um die physische Realität sowie um die Vielschichtigkeit von Schwarz sein und Schweizer:in sein. Seit Anfang 2024 gibt es auch einen «Black Stammtisch» in Zürich.

Während ihres Masterstudiums hat sie sich mit der Frage beschäftigt, wie über Rassismus gesprochen wird, und auf dieser Grundlage verschiedene Gesprächsformate entwickelt, darunter auch den «Black Stammtisch». In diesem geschützten Raum treffen Menschen zusammen, um nicht nur ihre Erfahrungen mit Rassismus zu teilen, sondern auch gemeinsam über «Black Joy» und mentale Gesundheit zu sprechen.

Koloniale Kontinuitäten

Denkmalsturz | © Schweizerisches Nationalmuseum

Denkmalsturz
Der Genfer Künstler Mathias C. Pfund stellt 2021 eine verkleinerte gestürzte Skulptur von David de Pury (1709–1786), der am Dreieckshandel und am Handel mit versklavten Menschen beteiligt war, neben die originale Statue von 1855.

Mathias C. Pfund, Great in the concrete, ex. 2/5, 2022, Bronze | Schweizerisches Nationalmuseum

Mehr erfahren: Whitey on the Moon & La tête dans le socle

Agassiz kopfüber
1906 bebt in San Francisco die Erde so stark, dass die Statue von Louis Agassiz von der Fassade der Stanford University fällt. Der Schweizer Natur- und Gletscherforscher, der in den USA aber auch rassistische Theorien entwickelte, landet kopfüber und bricht in den Boden ein. Dieses Ereignis wird Jahre später als symbolische Geste der Natur interpretiert und das Bild des versenkten Agassiz in der Kampagne Demounting Agassiz verwendet.

Vom Erdbeben gekippte Skulptur von Louis Agassiz, Antonio Frilli, Stanford University, San Francisco, 1906 | Zeitungsartikel The Fall of Agassiz at San Francisco, The Sphere, 1906

Denkmal von David De Pury
Der Gemeinderat von Neuchâtel lanciert 2022 einen künstlerischen Wettbewerb, dessen Mitpreisträger Mathias C. Pund ist. Er nimmt das Bild der gestürzten Agassiz-Skulptur zum Anlass, das Denkmal des Bankiers und Sklavenhändler David de Pury (1709–1786) zu hinterfragen. Mit seinem Werk möchte der Künstler nicht unbedingt eine Verbindung zwischen diesen beiden Biografien herstellen, sondern auf die Art der Repräsentation «grosser Männer» im öffentlichen Raum hinweisen.

Seine umgekehrte, kleine Version der Skulptur bezeichnet der Künstler als Fussnote zur Würdigung De Purys im öffentlichen Raum.

Mathias C. Pfund, Great in the concrete, 2022, Bronze

Videoinstallation

Was bedeutet das koloniale Erbe für die Schweiz der Gegenwart? Die dialogische Videoinstallation «koloniale Kontinuitäten» zeigt in Form eines inszenierten Podiums aktuelle gesellschaftliche Debatten mit unterschiedlichen Positionen und Perspektiven.

Die Themen der Debatten sind:

  • Koloniale Spuren und blinde Flecken
  • Koloniales Erbe und Erinnerungskultur
  • Historische Verantwortung und Wiedergutmachung

Zu Wort kommen verschiedene Personen aus dem jeweiligen Themenfeld.

© Schweizerisches Nationalmuseum

Schulunterlagen zur Ausstellung

240911_kolonial_su_download.pdf

Video-Führung für Schulklassen

Blogartikel

Mehr Infos zur Ausstellung finden Sie hier.